In den vergangenen Wochen sind die durch die COVID 19-Pandemie bedingten Einschränkungen des öffentlichen Lebens immer weiter gelockert worden. Trotz einer insgesamt schwierigen Situation hellen sich die wirtschaftlichen Aussichten weiter auf.
Die erfolgten Lockerungen haben jedoch leider auch einen spürbaren Anstieg der Infektionszahlen zur Folge. Dies hat dazu geführt, dass auch einige europäische Staaten bzw. einzelne Regionen von europäischen Staaten wieder als Risikogebiete eingestuft werden.
Vor dem Hintergrund der zu Ende gehenden Urlaubszeit, stellt dies die Unternehmen und ihre Mitarbeiter vor nicht zu unterschätzende Herausforderungen im Hinblick auf die Vermeidung von Infektionsrisiken. Dabei ist vor allem zu bedenken, dass der Anstieg der Infektionszahlen zu einem guten Teil auch auf Reiserückkehrer zurückgeführt wird.
Nachfolgend finden Sie einige Hinweise, die Ihnen und Ihren Mitarbeitern bei der Klärung von Fragen in diesem Zusammenhang helfen sollen. Außerdem nutzen wir die Gelegenheit, Sie auch über (zu erwartende) weitere Maßnahmen des Gesetzgebers im Zusammenhang mit der COVlD-19-Pandemie zu informieren.
Für weitere Informationen hinsichtlich der Arbeitsschutzregel in Bezug auf Covid-19 informieren wir Sie hier.
I. Arbeitsrecht (Urlaub und Entgeltfortzahlung)
1. Darf ein Arbeitnehmer in einem Risikogebiet Urlaub machen?
Es bleibt einem Arbeitnehmer grundsätzlich selbst überlassen, in einem Risikogebiet Urlaub zu machen. An sich haben Arbeitgeber kein Auskunftsrecht über die Urlaubspläne des Arbeitnehmers, das gilt auch nach der Rückkehr.
Allerdings kann der Arbeitgeber ausnahmsweise im Rahmen seiner Fürsorgepflicht für die anderen Arbeitnehmer einen Anspruch darauf haben, dass der betreffende Arbeitnehmer ihn über seinen Urlaubsort informiert, soweit dieser sich in den Gebieten aufgehalten hat, für die das Auswärtige Amt eine offizielle COVID -19 -Reisewarnung ausgesprochen hat.
Die Entscheidung über die Einstufung als Risikogebiet treffen grundsätzlich das Bundesgesundheitsministerium, das Auswärtige Amt und das Bundesinnenministerium gemeinsam. Maßgeblich für die Entscheidung sind außer der Zahl der Infizierten, die Testkapazitäten, die Anzahl der durchgeführten Tests pro Einwohner sowie die bestehenden Hygienebestimmungen.
Bitte beachten Sie auch, dass die bisher geltende weltweite COVID-19-Reisewarnung, wonach allgemein vor nicht notwendigen, touristischen Reisen ins Ausland, außer in bestimmte als sicher geltende Staaten, wie z.B. Portugal, gewarnt wird, nur noch bis zum 30. September fortgelten wird. Ab dem 1. Oktober 2020 werden wieder umfassend differenzierte Reise- und Sicherheitshinweise bzw. Reisewarnungen für einzelne Länder gelten.
Nähere Information finden Sie auf der Website des Auswärtigen Amtes.
Zu den aktuellen Risikogebieten verweisen wir auf die Website des Robert-Koch-lnstitutes.
Nach den derzeit auf Grund des lnfektionsschutzgesetzes erlassenen Iandesrechtlichen Regelungen müssen Personen, die aus einem Risikogebiet nach Deutschland einreisen in der Regel entweder einen negativen Corona-Test vorlegen oder sich direkt nach Ankunft nach Hause - oder an Ihren Zielort - begeben und zwei Wochen lang isolieren, d.h. in häusliche Quarantäne begeben (Absonderung).
Nach einer Pressemitteilung der Bundesregierung vom 27. August 2020 soll möglichst ab 1. Oktober 2020 eine neue Regelung zur häuslichen Quarantäne für Reisende aus Risikogebieten eingeführt werden. Danach soll eine vorzeitige Beendigung der Selbstisolation frühestens durch einen negativen Test ab dem 5. Tag nach Rückkehr möglich sein.
2. Inwiefern wirkt es sich auf die Vergütungspflicht des Arbeitgebers aus, wenn der Arbeitnehmer in einem Risikogebiet Urlaub macht und sich anschließend in häusliche Quarantäne begeben muss oder sogar an COVID-19 erkrankt?
Problematisch ist dies für den Arbeitnehmer dann, wenn er wissentlich in ein Risikogebiet gereist ist und sich anschließend in häusliche Quarantäne begeben muss oder sogar an COVID-19 erkrankt und er daher seinen Arbeitspflichten nicht nachkommen kann.
a) Ist der Arbeitnehmer nach der Rückkehr aus einem Risikogebiet zwar nicht nachweislich erkrankt, muss er aber in häusliche Quarantäne, ist zu unterscheiden:
Lässt sich die Tätigkeit des Arbeitnehmers auch im Homeoffice erbringen, dürfte es insoweit in der Regel keine Probleme geben. Eine Verpflichtung, dem Arbeitnehmer die Arbeit im Homeoffice zu ermöglichen, besteht jedoch auch in diesen Fällen nicht.
Schwieriger ist es in den Fällen, in denen Homeoffice grundsätzlich nicht möglich ist, wie z.B. in produzierenden Betrieben:
(1) Zwar hat ein Arbeitnehmer, auch wenn er nicht erkrankt ist, nach § 616 BGB Anspruch auf die Vergütung, wenn er für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden an der Dienstleistung verhindert wird.
Auch wenn die Dauer der häuslichen Quarantäne u.U. noch als verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit angesehen werden kann, wird der Arbeitnehmer jedoch keinen Anspruch auf die Arbeitsvergütung haben, wenn sein Urlaubsort bereits vor Abreise als Risikogebiet ausgewiesen war.
Denn sofern § 616 Satz 1 BGB nicht ohnehin schon durch Arbeitsvertrag, Betriebsvereinbarung, oder Tarifvertrag ausgeschlossen ist, wird man dem Arbeitnehmer ein Verschulden vorzuwerfen haben.
Wer sich für seinen Urlaub in ein Risikogebiet begibt, für das vom Auswärtigen Amt eine Reisewarnung besteht, nimmt bewusst in Kauf, in häusliche Quarantäne zu müssen oder gegebenenfalls das Urlaubsland nicht mehr (rechtzeitig) verlassen zu können. Wenn die Arbeitsleistung dann nicht aus der häuslichen Quarantäne heraus erbracht werden kann, scheidet daher ein Zahlungsanspruch grundsätzlich aus.
(2) Darf der Arbeitnehmer aufgrund staatlich angeordneter häuslicher Quarantäne nicht arbeiten, hat er an sich einen Entschädigungsanspruch nach § 56 Infektionsschutzgesetz (IfSG), der sich nach dem Verdienstausfall bemisst. Der Anspruch kommtjedoch nur dann in Betracht, wenn aufgrund des Infektionsschutzgesetzes vom Gesundheitsamt ein berufliches Tätigkeitsverbot ausgesprochen oder eine häusliche Quarantäne angeordnet wurde oder aber — wie bei Reiserückkehrern aus Risikogebieten der Fall - sich die Verpflichtung zur häuslichen Quarantäne aus der allgemeinen Anordnung des jeweiligen Bundeslandes ergibt.
Aber auch hier gilt: Ist ein Arbeitnehmer trotz bestehender Reisewarnung in ein Risikogebiet eingereist und wird dadurch zum Ansteckungsverdächtigen, hat er die sich anschließende Absonderung bewusst in Kauf genommen. Es wäre nach unserer Auffassung unbillig, in einem solchen Fall der Allgemeinheit die Entschädigungskosten aufzuerlegen. Denn bereits nach dem aktuellen Wortlaut von § 56 IfSG hat derjenige, der die häusliche Quarantäne hätte vermeiden können, keinen Anspruch auf die Entschädigung.
Um diesbezüglich Rechtsunsicherheit zu beseitigen, haben sich die Bundes- und Landesregierungen am 27. August 2020 darauf verständigt, dass das Infektionsschutzgesetz kurzfristig geändert werden soll. Hiernach soll bundeseinheitlich eine Entschädigung für den Einkommensausfall für den Fall ausgeschlossen werden, dass eine häusliche Quarantäne aufgrund einer vermeidbaren Reise in ein - bei Reiseantritt bereits als solches ausgewiesenes - Risikogebiet erforderlich wird.
b) Ist der Arbeitnehmer tatsächlich an COVlD-19 erkrankt, hat der Arbeitnehmer gemäß 5 3 Abs. 1 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) grundsätzlich Anspruch auf Entgeltfortzahlung.
Dabei gilt es aber Folgendes zu beachten:
Für den Anspruch auf Entgeltfortzahlung muss die Krankheit die alleinige Ursache für die Arbeitsunfähigkeit sein. In der Regel wird sich aber ein an COVID-19 erkrankter Arbeitnehmer, der sich in der Bundesrepublik Deutschland aufhält, ohnehin in häuslicher Quarantäne befinden.
Daraus folgt, dass jedenfalls in den Fällen, in denen die Tätigkeit nicht vom Homeoffice aus ausgeübt werden kann, der Entschädigungsanspruch nach § 56 IfSG vorrangig ist. Denn nur bei Tätigkeiten, bei denen Homeoffice möglich ist, ist bei häuslicher Quarantäne die Erkrankung an COVID-19 die alleinige Ursache für die Arbeitsunfähigkeit.
Außerdem darf der Arbeitnehmer die Erkrankung nicht selbst verschuldet haben. Von einem Verschulden ist nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts auszugehen, wenn der Arbeitnehmer seine Krankheit dadurch verursacht, dass er in erheblichem Maße gegen die von einem verständigen Menschen im eigenen Interesse zu erwartende Verhaltensweise verstößt.
Das setzt aber voraus, dass der Arbeitnehmer sich leichtfertig oder gar vorsätzlich entsprechenden Risiken ausgesetzt hat.
Nach unserer Auffassung spricht vieles dafür, dass auch bei einer Reise in ein Risikogebiet, das bereits bei Reiseantritt als solches ausgewiesen war, im Falle einer Erkrankung an COVID- 19 von einem Verschulden auszugehen ist.
3. Kann/Will der Arbeitnehmer auf Grund der Pandemie nicht verreisen, weil z.B. sein Ziel-Urlaubsort zum Risikogebiet erklärt wurde, kann der Arbeitnehmer seinen Urlaub nicht stornieren.
Denn es gilt der Grundsatz: Ein einmal gewährter Urlaub kann nicht einseitig durch den Arbeitgeber oder Arbeitnehmer widerrufen werden. Letztlich geht es hier darum, wie kulant der Arbeitgeber sein möchte.
4. Der Arbeitgeber kann grundsätzlich Urlaub auch nicht einseitig anordnen, weil zu wenig Arbeit vorhanden ist. Denn vom Grundsatz her muss der Arbeitgeber die Urlaubswünsche der Arbeitnehmer berücksichtigen, es sei denn, dass dringende betriebliche Belange oder Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer entgegenstehen. Allenfalls in absoluten Extremsituation, wie z.B. zu Beginn des Lockdowns im März 2020, kann es gerechtfertigt sein, dringende betriebliche Belange geltend zu machen, um die Arbeitnehmer in Urlaub zu schicken.
5. Das Bundesarbeitsministerium hat vor ca. einem Monat die neue SARS-CoV-2 Arbeitsschutzregel zur Veröffentlichung freigegeben. Diese Arbeitsschutzregel konkretisiert für den Zeitraum der C0- VID-19-Pa ndemie (gemäß § 5 IfSG) die zusätzlich erforderlichen Arbeitsschutzmaßnahmen für den betrieblichen Infektionsschutz und die im SARS-CoV-2 Arbeitsschutzstandard (vom April 2020) bereits beschriebenen allgemeinen Maßnahmen.
Über den allgemeiner gefassten SARS-CoV-2 Arbeitsschutzstandard hatten wir bereits in unserem Update vom 20. April 2020 informiert.
Die neue SARS-CoV-2 Arbeitsschutzregel stellt Maßnahmen für alle Bereiche des Wirtschaftslebens vor, mit denen das InfektionSrisiko für Beschäftigte gesenkt und auf niedrigem Niveau gehalten werden soll. So sind nach diesen Regeln Arbeitgeber weiter verpflichtet, Gefährdungsbeurteilungen durchzuführen und die Arbeitsplätze so zu gestalten, dass ein Infektionsrisiko minimiert wird. Diese Pflichten bringen es z.B. mit sich, umfangreiche Desinfektionsmaßnahmen durchzuführen, wenn ein Arbeitnehmer sich in der Arbeitsstätte aufgehalten hat und wegen Corona-Symptomen nach Hause geschickt wurde.
Betriebe, welche die vorgeschlagenen technischen, organisatorischen und personenbezogenen Schutzmaßnahmen umsetzen, könnten davon ausgehen, dass sie rechtssicher handeln. Zu Ihrer Information fügen wir die komplette Fassung der neuen SARS-CoV-2 Arbeitsschutzregel bei.
II. Kurzarbeitergeld
Wie in unserem Corona-Update vom 9. Juni 2020 bereits berichtet, wurde im Mai 2020 das Kurzarbeitergeld (KUG) erhöht. Von der Erhöhung profitieren jene Arbeitnehmer, deren Arbeitszeit aufgrund von Kurzarbeit um mindestens 50 Prozent reduziert wird. Ab dem vierten Monat der Kurzarbeit erhalten diese Personen 70 Prozent beziehungsweise 77 Prozent (mit Kind) Kurzarbeitergeld. Ab dem siebten Monat des Bezugs erfolgt eine Erhöhung auf 80 Prozent beziehungsweise 87 Prozent (mit Kind). Diese Regeln sollen nun über den 31. Dezember 2020 hinaus bis zum 31. Dezember 2021 für alle verlängert werden, deren Anspruch auf Kurzarbeitergeld bis zum 31. März 2021 entstanden ist.
Nach einem Beschluss der Regierungskoalition vom 25. August 2020 soll ferner die Bezugsdauer von Kurzarbeitergeld von regulär zwölf auf bis zu 24 Monate erweitert werden. Die verlängerte Bezugsdauer soll für Betriebe gelten, die bis zum 31. Dezember 2020 Kurzarbeit eingeführt haben. Längstens soll das Kurzarbeitergeld bis zum 31. Dezember 2021 verlängert werden.
III. Insolvenzrecht
Die im Rahmen der COVID-19-„Notgesetzgebung“ beschlossene Aussetzung der Insolvenzantragspflicht läuft nach dem ursprünglichen Gesetz zum 30. September 2020 aus (vgl. dazu unser Update vom 26. März 2020). Durch das Gesetz war im März die Insolvenzantragspflicht für Unternehmen ausgesetzt worden, die aufgrund der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie insolvenzreif geworden sind und dennoch Aussichten darauf haben, sich unter Inanspruchnahme staatlicher Hilfsangebote oder auf andere Weise zu sanieren.
Dieses Gesetz zur Aussetzung der Insolvenza ntragspflicht soll nun bis zum 31. 12. 2020 verlängert werden. Das Bundeskabinett hat einen entsprechenden Beschluss gefasst.
Wichtig: Die derzeit vorgesehene Verlängerung soll nur für Unternehmen gelten, die infolge der COVID-19-Pandemie überschuldet sind, ohne zahlungsunfähig zu sein. Denn nach Ansicht der Bundesregierung bestehen anders als bei von Zahlungsunfähigkeit betroffenen Unternehmen bei überschuldeten Unternehmen Chancen, die Insolvenz dauerhaft abzuwenden. Um das für das Funktionieren des Wirtschaftsverkehrs erforderliche Vertrauen in den WirtschaftsVerkehr nicht zu schädigen, sollen zahlungsunfähige Unternehmen daher nicht von der Verlängerung profitieren.
Der Gesetzentwurf soll nun von den Koalitionsfraktionen in den Bundestag eingebracht und dort zügig behandelt werden.
Sollten Sie noch weitere Fragen zu den hier besprochenen oder zu sonstigen Themen haben, die Sie in diesen corona bedingten Zeiten besonders betreffen, so stehen wir hierfür natürlich gerne zur Verfügung. Uns ist nach wie vor besonders daran gelegen, Sie in diesen schwierigen Zeiten im Rahmen unserer Möglichkeiten optimal zu unterstützen.